Samstag, 16. Dezember 2017

16 Der erste Christbaum



Der erste Christbaum


von Peter Rosegger
Der heilige Abend war gekommen. Es war dunkel geworden auf der Erde und es begann die Rauchstunde. Das ist nur eine heilige, erhabene Stunde besonders auf dem Lande, wo man die alten ehrwürdigen Gebräuche noch ehrt. Das ist ein Segen, welcher mit Weihrauch und Weihwasser über Haus und Hof, über Mensch und Vieh gesprochen wird, auf das der Segen des Jesuskindleins auf allem ruhen möge.
Schon in meiner frühen Jugend kannte ich die Bedeutung dieser Stunde an den drei hohen Weihnachtsabenden, so wie sie überhaupt die Landbewohner kennen.
Der heilige Abend und mit ihm die Rauchstunde war gekommen, und während der Vater mit dem kleinsten Brüderchen mit Rauch und Weihwasser im Gehöfe herumging, war ich mit dem Aufputzen eines kleinen herzigen Christbaumes beschäftigt, um damit letzteren zu überraschen.
Kaum war ich mit dem Aufhängen der golden Nüsse und anderer verschiedener Kleinigkeiten und mit dem Anzünden der Lichter, besser der Lichtlein, fertig als der Kleine in die Stube trat. Schier war er ob des ungewohnten Glanzbildes erschrocken, und erst als ich ihn bei der Hand nahm und ihm sagte, dass das Christkind das sei, und der ganze Christbaum, was drauf sei, ihm gehöre, war er zu bewegen, zum Tisch zu treten.
Sprachlos starrte er das angebliche Wunder an, bis er endlich stammelte, dass es ihm so vorkomme, als ob er im Traum sei.
So groß nun aber die Freude des Kleinen auch war, so war die meinige doch nicht viel minder, und ich selbst staunte mein Werk mit unnennbarem Wohlgefallen an und dachte, dass so ein Christbaum doch ganz was eigenes, was göttliches sei; dass nur dies der Baum sei, welcher von der Erde zum Himmel reiche, dessen Wurzeln zwar die Erde, dessen Krone aber nicht anders sei, als der Himmel selbst wäre.
 

1 Kommentar:

  1. Ich habe noch keinen Christbaum! Aber dafür zwei Katzen zu Hause! ?!?!?

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